Er ist im Oktober vergangenen Jahres verstorben: Friedrich Kittler, 1943 in Sachsen geboren und seit 1993 Professor für Ästhetik & Geschichte der Medien an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2008 emeritiert. Von dem Literaturwissenschaftler und Medienphilosoph ging die Gründung der „Berliner Schule“ einer technikorientierten Medientheorie aus. Seine Habilitation „Aufschreibesysteme 1800/1900“ aus dem Jahr 1984 gilt nach vielen Querelen bei ihrer Begutachtung heute als Standardwerk.
Friedrich Kittler wusste, dass der Computer den Begriff der Medien okkupieren und selbst zum Medium schlechthin werden würde. Und er wusste, dass ohne das Wissen um die Geschichte einer Wissenschaft – gerade einer so jungen wie der Informatik – die Gegenwart und Zukunft nicht ergründet werden kann. Sich mit seinen Schriften zu beschäftigen, fasziniert nicht nur deshalb.
Und es überrascht nicht, dass sich Kittler auch mit den neuen Medien auseinandersetzte: “Da will ich aber doch etwas Altmodisches zum Social Web sagen: Die öffentliche Diskussion fährt auf das Netz ab wie auf ein himmlisches Wunder, aber das eigentliche Wunder, die Computerei selbst, das nimmt man als selbstverständlich hin. Und die Menschen bilden sich ein, sie seien untereinander vernetzt, dabei sind ihre Maschinen vernetzt. Deshalb gibt es ja so viele Probleme mit Datenklau und Tracking. Dass die Maschinen miteinander kommunizieren scheint aber so unvorstellbar, dass man das stets humanisieren muss.”
Angenehmerweise erlauben die neuen Medien eine Annäherung an das Werk und die Person Kittlers, die früher undenkbar gewesen wäre, so etwa durch die Aufzeichnungen von Vorträgen aus dem Jahr 2004 über den Klang und die Zukunft des gerechneten und errechneten Raumes1 oder aus dem Jahr 2010 über »Programmiersprachen und Betriebssysteme«2.
Um die Bedeutung von Kittlers Werk dreht sich folgender Podcast der BBC:
Anhören?
The Big Ideas podcast
Friedrich Kittler’s computer wars, Gespräch mit dem Philosoph Avital Ronell, dem Autor Tom McCarthy und dem Guardian-Journalisten Stuart Jeffries über Friedrich Kittler.
Lesen?
“Maschinen kommunizieren mit Maschinen”, Gespräch zwischen Friedrich A. Kittler und Constanze Kurz, Denkraum Berlin. Magazin zum Berliner Wissenschaftsjahr 2010.
Kittler, Friedrich (1993): Es gibt keine Software. In: Hans Ulrich Gumbrecht (Hg.): Writing / Écriture / Schrift, München.
Bolz, Norbert/Kittler, Friedrich/Tholen, Christoph (Hg.) (1994): Computer als Medium, München.
- Anm.d.Hrsgs.: Unangenehmerweise verflüchtigen sich Neue Medien schneller als uns lieb ist. So ist die von der Autorin verlinkte Seite http://www.formatlabor.net/blog/?p=54 nur noch im Internet Archive erhalten: http://web.archive.org/web/20120724015447/http://www.formatlabor.net/blog/?p=54 [return]
- Hmm.. Nicht einmal das Internet Archive weiß etwas über den Verbleib des Inhalts von http://www.encyclopedia.com/video/WulPbkIrwO8-friedrich-kittler-phantom-computing-silicon.aspx [return]