Der Begriff der Turing-Galaxis 1 wurde von Wolfgang Coy geprägt, woran uns Volker Grassmuck auf der Tagung »Von der Gutenbergschen Galaxis zur Turing-Galaxis« 2 erinnerte:
Analog zu McLuhans Gutenberg-Galaxis verwendet das Eponym Turing-Galaxis den Namen des Innovators, um die mediengeschichtliche Epoche zu benennen, die seine Innovation prägt. Johannes Gutenberg hat mit seiner Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern eine Dynamik ausgelöst, die sich nach McLuhans Analyse direkt auf Reformation, Aufklärung, moderne Wissenschaft, die bürgerliche Gesellschaft und den Kapitalismus auswirkte.
Vergleichbar grundlegende Veränderungen gehen nach Coys Analyse von der universellen Maschine aus, die der britische Mathematiker Alan Turing 1936 erdachte.
Volker Grassmuck, Turing Galaxis Test – Zum 14. Geburtstag eines keuschen Konzepts, Beitrag zur Tagung »Von der Gutenbergschen Galaxis zur Turing-Galaxis«, Humboldt-Universität zu Berlin, 2007.
Wolfgang Coy unterstreicht die Wichtigkeit der Gutenberg’schen Erfingung in seinem Text »Bauelemente der Turingschen Galaxis]«3:
Der symbolische Raum der Bleilettern hat eine geistige Welt geschaffen, in der Abstraktion, Verallgemeinerung, Öffentlichkeit und wissenschaftliche Erkenntnis zum Raum des Denkens und zum schriftlichen Diskurs wird. Allgemeiner Erkenntnis folgt allgemeine Pädagogik, mit der Bildung, sprich Lesen, Schreiben und Rechnen zu selbstverständlichen bürgerlichen Tugenden wird.Die Gutenbergsche Erfindung war die erste mediale Revolution der Neuzeit, auf die optische und elektrische Telegrafie, Telefonie, Funk, Schallplatte, Radio, Fernsehen und Video folgten. Sie alle können als Erweiterungen des menschlichen Wahrnehmungsvermögens, als extensions of man im Sinne Marshall McLuhans interpretiert werden.
Technik und Weltbild sind ineinander medial verwoben, die Realität ist technisch konstruiert. Gutenberg-Galaxis ist der buchfixierte Ausdruck für die Neuzeit. Die Informationsgesellschaft scheint diese abzulösen: Warum sollten wir sie nicht Turing Galaxis nennen, nach dem intellektuellen Erfinder der universal paper machine, dem symbolisch-logischen Bauplan des Computers?
Wolfgang Coy, Bauelemente der Turingschen Galaxis, Beitrag zur Konferenz »interfiction – Perspektiven und Mythen von Gegenöffentlichkeit in Datennetzen«, Universität Kassel, 1995.
Die rhetorische Frage, ob wir unsere von vernetzten Universalcomputern bestimmte Zeit nicht einfach »Turing-Galaxis« nennen sollen, bejahen wir performativ durch den Start dieser Website. Herzlich willkommen in der Turing-Galaxis4.
Update 31. Oktober 2016: In der Zwischenzeit ist die Festschrift für Wolfgang Coy erschienen, dort werden Begriff und Eponym ausführlich behandelt.