Per Anhalter durch die Turing-Galaxis

Die Informatik ist der Dienst der Dienste

»Menschlich fühl’ ich mich verbunden // mit den armen Stasi-Hunden, // die bei Schnee und Regengüssen // mühsam auf mich achten müssen.«

Solch zarte Nostalgie, wie sie uns Wolf Biermann scharfzüngig ins Ohr einflößte, erscheint uns heute sonderbar. Denn diese Art menschlicher Nähe gönnen uns wohl unserer »Verfassungsschützer« längst nicht mehr, spätestens als sie bemerkten, wie gespenstisch reibungslos die heimliche Telefon- und Internet-Überwachung sein kann. Aber mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2008 zur Online-Durchsuchung wurde ihnen ihr menschenverachtendes Gebahren dann doch öffentlich vorgeworfen. Das wird streng, aber gelassen hingenommen. Indessen brüsten sich die Vertragspartner für Software-Technik im Hintergrund mit ehrenvollen Staatsdiensten.

Das aus den Urteils-Leitsätzen abgeleitete Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ist von manchen als vergessen bezeichnet worden, andere sehen Ignoranz und Verdrängung im Vordergrund. Wer sich jedoch damit beschäftigt, wird vielleicht auch die vielen anderen vergessenen Grundrechte und weitere zusammenhängende Ereignisse entdecken. Diesem Menschen sei daher folgendes ans Herz gelegt:

Die Ausstellung Versagen mit System ist noch bis zum 19.2.2015 im Haus der Demokratie und Menschenrechte zu besichtigen. Sie thematisiert eine Geschichte fortlaufender Skandale eines geheimen Dienstes und führt uns unsere eigene Geschichtsbewusstlosigkeit vor Augen.

Vor den Stellwänden dieser Ausstellung können wir dann gemeinsam lachen, uns einhellig an die Stirn fassen, köstlich witzelnd die Pannen des »Verfassungsschutzes« ins Gedächtnis rufen oder Betroffenheit über tödliche Lachnummern verspüren. Und wenn wir dann auf seine verfaulten Wurzeln im Nachgang der barbarischen Kriege des 20. Jahrhunderts blicken, können wir uns vielleicht wie Wolfgang Coy fragen, ob geheime Dienste in einer demokratischen Gesellschaft noch sachgerecht sind oder sich nicht im Gegenteil schämen sollten.

6000 »Verfassungsschützer« rackern sich als »Frühwarnsystem« an unseren Gedanken, Meinungen und Vorlieben ab. Und nach Belieben werden (mehr schlecht als an Recht gebunden) IT-Systeme auf Knopfdruck herrschaftlich eingesetzt, um diese öffentlich zugänglichen und geheimdienstlich ermittelten Daten zu sammeln und zu verknüpfen. Die Enthüllungen von Journalisten anhand des Materials von Edward Snowden ließen die Hoffnung aufkommen, dass der Souverän aufstehen und seinen Entmündiger absetzen würde. Dies ist zwar (noch) nicht geschehen, vielleicht ist eine Massenbewegung aber auch gar nicht nötig, wenn man bedenkt, dass »die Informatik der zentrale Dienst der Dienste ist« (Coy): Anstatt massive und totale Grundrechtsbrüche zu ermöglichen, könnte die Informatik die Technik der Dienste einfach herunterfahren. Damit ist die Frage an die Gesellschaft eine einfache: Wollen Sie fortfahren? Ja / Nein / Abbrechen!

Weitere Literaturhinweise:

  • Humanistische Union: Memorandum.
  • Bürgerrechte & Polizei (CILIP 105): Geheimdienste – Ein fortdauernder Skandal.
  • G. Baum, C. Kurz, P. Schantz: Das vergessene Grundrecht. FAZ vom 26.02.2013. [Online-Version]1 und [archivierte Version]2.